Leseprobe vier

….Ein anderer, immer lustiger Fixpunkt dieser Woche waren die Abendessen, bei denen ich immer mit Birgit und Wolfgang, einem weiteren Betreuer, am Tisch saß. Nach einem anstrengenden Tag auf der Piste, hatte ich am Abend natürlich immer großen Hunger und war deshalb meist die Erste mit der einzigen Speisekarte, die auf unserem Tisch stand. So blieb dann oft nur mehr sehr wenig Zeit, für Birgit und Wolfgang, sich das passende Menü auszusuchen, bevor der Kellner kam, um die Bestellung aufzunehmen. Da kam Wolfgang auf die Idee, ich solle ihnen die Karte einfach laut vorlesen, womit ich eigentlich kein Problem hatte. Da ich aber vielleicht etwas zu schüchtern und erst sieben Jahre alt war und die Kunst des Lesens eher mäßig beherrschte, konnte ich mit Bouillon, Filets und blanchiertem Gemüse nicht wirklich etwas anfangen, ganz zu schweigen davon, dass ich keine Ahnung hatte, was ich dafür bekommen würde. So erklärte mir Wolfgang schließlich immer jedes falsch ausgesprochene Wort, was mir ziemlich peinlich war. Trotz dieser Schwierigkeiten las ich jeden Tag die Speisekarte vor und bestellte anschließend die ausgewählten Menüs beim Kellner, was mir mit der Zeit richtig Spaß machte. Doch das beste Ereignis dieser Woche war der letzte Abend vor der Abreise, denn nach unserem Monoski-Weltrekordversuch, mit 100 Monoskifahrern die Piste hinunterzufahren und am Ende in einer bestimmten Formation unten anzukommen, sollte es eine so genannte After-Show-Party geben. Da ich mir damals nicht wirklich vorstellen konnte, was mich dort erwarten würde, ließ ich es einfach auf mich zukommen. Was ich dort erlebte, überstieg all meine Vorstellungen. Unter anderem sah ich dort eine Modenschau, die von Rollstuhlfahrern gestaltet wurde. Aber die größte Überraschung war, als ich von dem Moderator dieser Veranstaltung als jüngste Teilnehmerin dieses Weltrekordversuchs auf die Bühne gebeten wurde und mir einen viel zu großen Pullover abholen durfte. Doch auch die jüngste Teilnehmerin wird einmal müde und so brachte mich Birgit wenig später zurück ins Hotel. Als ich in dieser Nacht aufwachte, bemerkte ich, dass ich immer noch allein im Zimmer war. Nach einiger Zeit überkam mich die Angst und ich überlegte fieberhaft, welche Möglichkeiten ich hatte, um diese Angst los zu werden. Zuerst versuchte ich erneut einzuschlafen, doch das ging leider nicht mehr, also machte ich mich auf den Weg zur Tür, um zu schauen, ob Birgit vielleicht am Gang war. Doch auch dort war sie nicht. Langsam war ich auf dem Weg, richtig Panik zu bekommen, als mich ein Rollstuhlfahrer ansprach, ob ich Hilfe brauchte. Ich fragte ihn, ob er mich zur Bar mitnehmen konnte, so nahm er mich schließlich auf seinen Schoß und fuhr mit mir ins Erdgeschoß. Dort angekommen, konnte ich schon von weitem Birgit und Wolfgang mit ein paar anderen, mir nur vom Sehen bekannte Gesichter sehen. Als Birgit mich entdeckte, kam sie uns schnell entgegen und bedankte sich bei dem Rollstuhlfahrer für´s Hinunterbringen. Dann nahm sie mich kurz mit an den Tisch, an dem sie gesessen hatte, trank ihr Getränk aus und verabschiedete sich mit mir von den anderen. Kurze Zeit später lag ich nicht mehr alleine im Zimmer und schlief zufrieden dem letzten Tag „alleine“ in Tirol entgegen.“

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